Leben im Westerwald im 19. Jahrhundert

Im Westerwald des 19. Jahrhunderts war die wirtschaftliche Entwicklung nicht besonders einheitlich. Die Menschen auf dem Lande waren hauptsächlich von der Landwirtschaft abhängig (z.B. vom Kartoffelanbau). Die Bauern betrieben  Viehzucht und Viehhaltung. Im Falle des Todes von Verwandten galt die Realerbfolge, d. h. jeder Erbe erhielt einen gleichen Anteil an den landwirtschaftlichen Flächen. Dies führte dazu, dass im Laufe der Zeit die Felder immer kleiner wurden und die Familien kaum noch ernähren konnten. So musste der Großteil der Bevölkerung im seit dem 18. Jahrhundert einer Nebentätigkeit nachgehen (z. B. Textilhausarbeit).

Im 19. Jahrhundert kam es zu einer Verdrängung der Menschen. Kleinbauern erhielten selten Kredite und mussten sich an "Wucherer" wenden.  

Die Landwirtschaft wurde durch viele verschiedene Faktoren geprägt, wie z. B. unterschiedliche Höhenlagen, daraus resultierenden verschiedenen klimatischen Bedingungen, Bodenbeschaffenheit und Verkehrsanbindung (Anschluss an das [öffentliche] Verkehrsnetz).

Aufgrund ungleicher Höhenlagen wurde im westlichen Teil des Westerwalds Tonvorkommen gefunden und für das Pfeifen- und Kannenbäckerhandwerk benutzt. Im Neuwieder Becken und an der Sieg wurden seit über 2000 Jahren wertvolle Bodenschätze entdeckt wie z. B. Metalle und Basalt. Im 19. Jahrhundert wurde im Nordosten auch Braunkohle gefunden. Trotzdem mussten die Menschen weiterhin Landwirtschaft betreiben. Im Allgemeinen konnten die Westerwälder/-innen eher kein Obst und Gemüse auf ihrem Land anbauen, wegen zu viel Regen und schlechter Bodenqualität. Deshalb suchten sie ihr Glück in Übersee. Vor der Industrialisierung lebten die Westerwälder/-innen in Armut und im Überlebenskampf. Nach dem Anstieg der Bevölkerung waren schlechtere Produktions- und Lebensbedingungen und daraus entstehende Hungersnöte und Epidemien nicht wegzudenken. Erst mit technischem Fortschritt und Einsatz von Maschinen konnte die Produktivität erhöht und dadurch der Lebensstandard für Viele langsam verbessert werden.

Das Dorf Sespenroth und seine Einwohner

 
Das Dorf Sespenroth wird 1392 erstmals urkundlich erwähnt, es gehört  zur Pfarrei Nentershausen. Im 16. Jahrhundert wurde die ungefähre Größe von vier Feuerstellen - also Wohnhäusern- angegeben. Nach dem Dreißigjährigen Krieg lebte hier zunächst niemand mehr. Erst 1853 wurden erstmals wieder 60 Einwohner erwähnt. Einwanderungen aus dem damaligen Fürstentum Nassau setzten sich insbesondere von 1817 bis 1854 fort. Nach der Gründung der Texas Society im Schloss Wiesbaden-Biebrich im Jahr 1842 entschieden sich viele Westerwälder, sich in Texas niederzulassen und beteiligten sich daher im Jahr 1846 an der Gründung von Fredericksburg (Texas). Fast alle Einwohner der Sespenroth-Gemeinde beschlossen 1852, in die Vereinigten Staaten zu ziehen und ihr Eigentum zu verkaufen oder zu verpfänden. Zu dieser Zeit hatte Sespenroth 76 Einwohner in 19 Familien. Das Dorf selbst bestand aus 11 Häusern, einer Kapelle und einer Bäckerei. Vier nicht ausgewanderte Familien wurden in umliegende Dörfer umgesiedelt. Die Gebäude des Dorfes Sespenroth wurden abgerissen und dem Ort Heilberscheid zugesprochen, wo Teile der Gebäude heute noch in alten Scheunen verbaut zu sehen sind. Heilberscheid kaufte auch öffentliches Land in Sespenroth. 


Die Bewohner Sespenroths

(Schema: Abreisedatum | Familienname | Anzahl Familienmitglieder)
 1852 | Kraus | 3
 1853 | Brühl | 6
 1853 | Hoffart | 7
 1853 | Ickenroth | 2
 1853 | Klein | 10
 1853 | Kussman | 1
 1853 | Nebgen | 4
 1853 | Schiffel | 3
 1853 | Stiel | 15

Um 1850 gab es im Dorf Sespenroth 21 ½ Gebäude. Es gab 8 einstöckige Häuser, 3 zweistöckige Häuser, ein Backhaus, eine Kapelle, 6 Ställe, 1 Schuppen und 1 ½ Scheunen. Diese lagen auf einer Wiese zwischen Wirzenborn, Bladernheim, Heilberscheid und Nentershausen. Alle Häuser wurden entlang eines Weges gebaut, der quer über die Wiese ging. Neben dem Dorf verlief der Fluss Gelbach. 

Die Häuser von Sespenroth wurden nach der Auswanderung verpfändet (verkauft) und – teils legal, teils illegal – zur Gewinnung von Ressourcen auseinandergenommen. Am ehemaligen Standort des Dorfes ist nach der Auswanderung nichts mehr übriggeblieben. Man kann nicht mal mehr die Umrisse der Mauern erkennen. Dort ist nur noch eine große grüne Wiese, die von einem Wald umgeben ist und ein kleiner Bach, der an eben dieser Wiese entlang fließt. Außerdem steht dort eine kleine Tafel mit einem Kreuz daran.